Wenn Sie sich schon etwas mit dem Thema Lese-Rechtschreibprobleme beschäftigt haben, sind Sie sicherlich auf unterschiedliche Begriffe wie Legasthenie, Lese-Rechtschreibstörung und Lese-Rechtschreibschwäche oder LRS gestoßen.
Leider verwenden nicht alle Fachleute, Schulbehörden und Autoren die Begriffe gleich, so dass es immer wieder zu Problemen kommt. Wir wollen als Verband keine neue Definition oder Abgrenzung der Begrifflichkeiten vornehmen, sondern uns an den diagnostischen Leitlinien der kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis halten. Die diagnostischen Leitlinien stellen eine Orientierung zur Ausführung des Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dar. In den Leitlinien werden die Begriffe Lese-Rechtschreibstörung und Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) voneinander unterschieden.
Die Lese-Rechtschreibstörung zählt zu den umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F81). „Der Begriff der umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten umfasst die spezifischen und deutlichen Beeinträchtigungen des Erlernens des Lesens, Rechtschreibens und Rechnens. Ihnen gemeinsam ist die ätiologische Annahme, dass diese Störungen wesentlich in einer zentralnervösen, kognitiven Störung der Informationsverarbeitung begründet sind.
Lese- und Rechtschreibstörung (F81.0). Definierendes Merkmal ist eine umschriebene Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten und damit verbunden sehr häufig der Rechtschreibung. In der späteren Kindheit und im Erwachsenenalter ist regelhaft die Lesefähigkeit verbessert, die Rechtschreibproblematik das meist größere Defizit.
Isolierte Rechtschreibstörung (F81.1). Diagnostisches Merkmal ist die Entwicklungsstörung der Rechtschreibfertigkeit, ohne dass eine umschriebene Lesestörung in der Vorgeschichte nachzuweisen ist."
Zitierbare Quelle:
Dt.Ges.f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. 2. überarbeitete Auflage 2003, Deutscher Ärzte Verlag, ISBN: 3-7691-0421-8
Unterscheidung Störung – Schwäche
In den Leitlinien werden die Begriffe Lese-Rechtschreibstörung und Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) voneinander unterschieden. In allen Fällen ergibt sich die Diagnose aus dem gesamten klinischen Befund.
Lese-Rechtschreibstörung
In der Regel sind für die Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung folgende Richtwerte ausschlaggebend:
- Das Intelligenzniveau liegt nicht im Bereich der geistigen Behinderung (IQ > 70).
- Im Lese-Rechtschreibtest sollten etwas weniger als 90 % der Vergleichskinder besser sein (Prozentrang < 10 %; Schüler mit höherer Intelligenz und Lese-Rechtschreibstörung wie auch Schüler, die ein Legasthenietraining hatten, erreichten meistens höhere Werte, so dass dies bei der Beurteilung berücksichtigt werden muss).
- Die Lese- oder Rechtschreibleistung sollte deutlich schlechter sein, als dies nach der allgemeinen Intelligenzentwicklung zu erwarten ist.
Man spricht bei der Diagnose von einem „doppelten Diskrepanzkriterium”: Die Lese- oder Rechtschreibleistung ist deutlich niedriger als es der übrigen Altersgruppe entspricht (erstes Diskrepanzkriterium) und die Lese- oder Rechtschreibleistung ist deutlich schwächer als es der Intelligenzquotient erwarten ließe (zweites Diskrepanzkriterium).
Lese-Rechtschreibschwäche (LRS)
Lässt sich eine Lese-Rechtschreibschwierigkeit durch mangelhafte Beschulung, durch eine psychische oder neurologische Erkrankung oder durch eine Sinnesbehinderung (z.B. Schwerhörigkeit oder Sehbehinderung) erklären, liegt eine oft vorübergehende Lese-Rechtschreibschwäche vor. Werden dagegen die aufgeführten Ursachen ausgeschlossen und liegt eine hinreichende allgemeine Intelligenzentwicklung vor, so ist die Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung zu stellen.
Achtung: In manchen schulischen Erlassen der Bundesländer ist es entscheidend für den Umfang des Nachteilsausgleichs, ob eine Lese-Rechtschreibstörung oder – schwäche vorliegt.