Dyskalkulie ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit und somit der öffentlichen Diskussion geraten. Lehrer und Eltern wissen leider immer noch nicht ausreichend darüber Bescheid, was sich hinter diesem Begriff verbirgt und wie mit dieser Störung umgegangen werden muss.
In der internationalen Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist der Rechenstörung die Ziffer F81.2 zugeordnet.
Hier heißt es:
„Diese Störung bezeichnet eine Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie oder Differential- und Integralrechnung benötigt werden".
Auffälligkeiten ernst nehmen!
Wir können davon ausgehen, dass Schüler die Dyskalkulie bereits mit in das erste Schuljahr gebracht haben – der Schulstoff geht somit von Anfang an an ihnen vorbei. Zahlen werden von diesen Kindern als leere Symbole bzw. als Position auf einem Zahlenstrahl erfasst und nicht als Stellvertreter von Mengen.
Zumeist werden die Kinder im häuslichen Bereich auffällig. Die Hausaufgaben werden mit Hilfe der Eltern (meistens der Mütter) gemacht, ein Vorgang, der sich endlos lange hinzieht, für beide Seiten häufig mit Wut, Streit und Tränen endet: Das rechenschwache Kind findet einfach kein „Pack-Ende“ und die Mutter kann nicht verstehen, warum „so einfache“ Aufgaben von ihrem Kind nicht gelöst werden können.
Folgenden Auffälligkeiten steht die Mutter relativ hilflos gegenüber:
- Das Kind löst die Aufgaben zählend, meist unter Zuhilfenahme der Finger
- Addieren geht gerade noch, beim Subtrahieren tauchen große Schwierigkeiten auf
- Das Kind hat Probleme bei Zehner- und Hunderter-Übergängen
- Platzhalter-Aufgaben (19 – ? = 5) scheinen unlösbar
- Das Dividieren funktioniert überhaupt nicht und ist besonders verhasst
- Das Kind grübelt lange – ohne ersichtliches Ergebnis
- Gewichts- und Maßeinheiten können nicht eingeschätzt werden
- Die Uhrzeit kann nicht korrekt benannt werden
- Das Kind lässt sich das Geld „passend” geben, wenn es einkaufen gehen soll
- Auf die Frage, ob es Hausaufgaben in Mathematik aufhat, verneint das Kind und verschwindet aus dem Zimmer
- usw…
Rechnen können als unabdingbare Voraussetzung für die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
Wenn ein Kind das Rechnen nicht erlernt, wird es nicht nur im schulischen Bereich scheitern und nachhaltig unter einem gewaltigen psychischen Druck stehen, sondern das Rechnen-Können hat einen äußerst wichtigen lebenspraktischen Bezug: Wer nicht rechnen kann, kann keine Ausbildung erfolgreich beenden, keinen Beruf ergreifen und wird nicht selbstständig in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Damit ist durch das Nicht-Rechnen-Können die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft deutlich gefährdet.